Liebe Leserin, lieber Leser,

die Klosterschule vom Hl. Grab hat eine lange und traditionsreiche Geschichte. Mehr als 350 Jahre Klosterschule von Hl. Grab heißt auch mehr als 350 Jahre Geschichte an der Klosterschule. „Willst du segnen, lehr ein Kind“ aus dem Gedicht „Ermunterung zur Kinderliebe und zum Kindersinne“ von Clemens Brentano steht über dem historischen Eingangsportal der Klosterschule. Dieses Motto begleitet die Arbeit an unserer Schule auch noch heute und hat im Laufe der Jahrzehnte seine Aktualität nicht verloren. Im folgenden Text laden wir Sie dazu ein die Geschichte an unserer Klosterschule besser kennenzulernen.

Eine frohsinnige Lektüre wünscht:

Die Fachschaft Geschichte der Klosterschule

 

Die Geschichte der Klosterschule vom Heiligen Grab

Gründungszeit – Ein schwieriger Start (1670 -1702)

Der Ursprung des Klosters und der Klosterschule vom Heiligen Grab geht zurück auf die Initiative der Markgräfin Maria Franziska von Baden, geborene Gräfin von Fürstenberg (1633 -1702), die am 7. Juli 1670 unsere Klosterschule in ihrer Residenzstadt Baden-Baden ins Leben rief.

“Pour la plus grande gloire de Dieu et pour la meilleure instruction de la jeunesse“
(„Zur größeren Ehre Gottes und zur besten Unterweisung der Jugend“)

Die ersten Worte der Urkunde, die durch Markgräfin Maria Franziska und Markgrafen Leopold von Baden zur Schulgründung gestiftet wurde, waren Programm. Maria Franziska war es ein besonderes Anliegen für die Erziehung und Bildung junger Mädchen zu sorgen. In Baden-Baden stieß sie hiermit in eine Marktlücke, da es bisher nur eine Jesuitenschule zur Unterweisung für Jungen gab. Für Mädchen entstand somit eine erste herzoglich legitimierte Bildungseinrichtung.

Um ihre Vorstellung in die Tat umsetzten zu können, erbat sich Maria Franziska Unterstützung aus dem Mutterkloster der Klosterschwestern vom Hl. Grab, St. Agatha im belgischen Lüttich. Die früh verwitwete Maria Franziska kam in zweiter Ehe nach Baden-Baden. In ihrer Kindheit und Jugend wuchs sie in der Gegend um Köln und Aachen auf und war so mit der Bildungsarbeit der Ordensschwestern aus Lüttich vertraut. Der Startschuss des Klosterlebens in ihrer neuen Heimat Baden-Baden fiel am 15.10.1670 mit Hilfe von vier Chorfrauen und einer Laienschwester.

Die Schule stand sowohl Internatsschülerinnen, den Pensionärinnen als auch Schülerinnen aus der Stadt offen und entwickelte sich rasch zu einer Art „Mädchenvolksschule“.

Neben z.B. religiöser Unterweisung und Handarbeit wurde von Beginn des Schulbetriebs an ein besonderes Augenmerk auf den Französischunterricht gelegt. Die Schule erfreute sich in ihrer Gründungszeit eines regen Zulaufs, so dass, als das bestehende Gebäude nicht mehr ausreichte und Markgräfin Maria Franziska an Stelle des Gasthauses „Zum Ungemach“ einen neuen dreistöckigen Bau errichten ließ. Das letzte Überbleibsel des ehemaligen Gasthauses ist der Brunnen, der sich heute noch im Innenhof der Klosterschule befindet.

Im Jahr 1689 wurde der Fertigstellung des ersten Baus neuer Räumlichkeiten der Ordensschwestern, der Schule sowie der Klosterkirche entgegengefiebert.

Im selben Jahr wurde Baden-Baden jedoch zum Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den Fürsten des Hl. römischen Reichs deutscher Nation und Frankreichs Ludwig XIV. Im Zuge des pfälzischen Erbfolgekrieges legten französische Truppen große Teile Baden-Badens in Schutt und Asche. Auch die Klosterschule blieb nicht verschont. Allem Bitten und Flehen Maria Franziskas zu trotz gab General Duras den Befehl, den Brand zu legen. Einzig die Klosterkirche überstand die Brandschatzung durch die französischen Truppen.

Die Klosterschwestern mussten zuerst nach Forbach, später nach Rottenburg fliehen. Erst zehn lange Jahre später, im Jahr 1700, konnten die Ordensschwestern wieder in das mühsam aufgebaute Kloster zurückkehren und den Schulbetrieb wieder aufnehmen. Im September 1700 konnte aus Sicht der Großherzogin auch endlich der erste Dankgottesdienst in der Klosterkirche gefeiert werden.

Die Jahreszahl 1698 über dem großen Barockportal der Kirche erinnert noch heute zum einen an die ersten Fertigstellung der Klosterschule nach dem großen Brand von 1689 und zum anderen an die Schrecken jenes Ereignisses, dem nicht nur die Klosterschule, sondern große Teile Baden-Badens zum Opfer fielen.

Nach der Schulgründung von 1670 musste die Klosterschule mit dem Großbrand von 1689 den vielleicht größten Rückschlag ihrer Geschichte verkraften. Die Wiederaufnahme des Schulbetriebs ist nicht zu Letzt dem Engagement Maria Franziskas und der Ordensschwestern zu verdanken.

 

Die Konsolidierungszeit – Das Kloster etabliert sich als Baden-Badener Bildungsinstitution (1702 – 1811)

Die Ordensschwestern widmeten sich nun erneut mit großem Eifer dem Unterricht der Pensionärinnen und Baden-Badener Mädchen. Ebenso unterwiesen sie Kinder an der städtischen Mädchenvolksschule, an der sie bis 1904 tätig waren.

Interessant sind vor allem die damaligen Unterrichtsfächer:

Die Mädchen wurden in „Gottesfurcht“, (dem Katechismus), Lesen, Schreiben, Nähen und Klöppeln unterwiesen. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen noch „deutscher Unterricht“, Musik, Geographie, Historie und Rechnen hinzu. Tanz, Naturgeschichte und Gesundheitslehre vervollständigten den Lehrplan.

Nach dem Tod der Gönnerin und Förderin Maria Franziska 1702, geriet das Kloster in materielle Not. Das Kloster, welches immer eine Herzensangelegenheit Maria Franziskas gewesen war, rückte bei ihrer Nachfolgerin Franziska Sibylla Augusta, der berühmten Bauherrin des Rastatter Schloss Favorite, in den Hintergrund. Die gestiegene Zahl der Schülerinnen hatte den Personalbestand steigen lassen, sodass inzwischen eine stattliche Zahl an Chorfrauen und viele Schwestern im Kloster arbeitete. Die Einnahmen des Schulgeldes konnten diese Kosten nicht decken. Glücklicherweise bekannte sich 1727 Markgraf Ludwig Georg zu seinen Verpflichtungen und veranlasste entsprechende Unterstützungen, sodass der Konvent seine finanzielle Schieflage ausgleichen konnte.

Dass Not erfinderisch machen kann, bewies die damalige Priorin der Klosterschule, Maria Dieudonné Nivart de la Présentation. Sie vermietete kurzerhand zur weiteren finanziellen Absicherung Teile des Klosters an zahlungskräftige weibliche Badegäste der Baden-Badener Thermenanlagen. Gerade für ältere Damen des hohen Adels, die nicht selten mit Bediensteten anreisten, bot das Kloster Wohnung, Verpflegung und kurze Wege in bester Lage mitten im Bäderviertel.

Das Kloster konnte durch die sich entspannende finanzielle Lage im 18. Jahrhundert mehrfach baulich erweitert werden. 1744 wurde ein neuer Flügel errichtet, die Barockkirche ausgeschmückt, 1769 stiftete der Markgraf Georg den Pensionatsbau, der noch heute sein Wappen als Zeichen des Dankes trägt.

Im Jahr 1789, also genau hundert Jahre nach dem verheerenden Großbrand in Baden-Baden, kündigten aus Frankreich geflohene Ordensschwestern die nächste Zeitenwende an. Die Französische Revolution beendete auf einen Schlag jede Form klösterlichen Zusammenlebens im benachbarten Frankreich. Viele Klöster mussten schließen, Ordensleute wurden gezwungen, ihr Gelübde aufzulösen oder waren gezwungen auszuwandern. Im Kloster vom Hl. Grab in Baden-Baden fanden geflüchtete Schwestern aus dem Elsass eine Zuflucht. Revolutionäre und aufklärerische Ideen, die für viele Gegenden Europas, die seit Jahrhunderten von kirchlichen Strukturen geprägt waren, am Ende des 18. Jahrhunderts befremdlich erschienen, wurden nach der Jahrhundertwende zur Gewissheit. Im Zuge der napoleonischen Eroberungen ab 1806 bekamen auch die Länder des Rheinbundes die Auswirkung der einsetzenden Säkularisierung zu spüren.

Mit den für damalige Verhältnisse radikalen und laizistischen Kerngedanken von Freiheit, Einigkeit und Brüderlichkeit (liberté, égalité, fraternité), die von der Revolution aus Frankreich nach Baden gelangten, wurde dem Stiftungssatz Maria Franziskas “Pour la plus grande gloire de Dieu et pour la meilleure instruction de la jeunesse“ ein wirkmächtiger Gegensatz offenbar. Da im Zuge der Säkularisierung viele Klöster auch diesseits des Rheins aufgelöst werden mussten und Bildungseinrichtungen nicht mehr unter kirchlicher Aufsicht stehen durften, stand die Existenz der Klosterschule aufs Neue auf dem Spiel.

Glücklicherweise war der badische Adel mit den französischen Machthabern gut vernetzt. Durch das entschlossene Eingreifen der Adoptivtochter Napoleons, der badischen Großherzogin Stephanie im Jahre 1810, konnte die Schließung der Klosterschule abgewendet werden. Dennoch bekamen die Ordensschwestern die Säkularisierung am eigenen Leib zu spüren.

Im Jahr 1811 wurde das Kloster durch einen großherzoglichen Verfassungsbeschluss in eine sogenannte „staatliche Anordnung“, d.h. ein Lehr- und Erziehungsinstitut, umgewandelt. Die Klosterfrauen nannten sich nun „Institutsfrauen“, lediglich die Ordenstracht blieb. Diese Umformung ging mit der Auflösung der traditionellen klösterlichen Form einher. Das Armuts- und Keuschheitsgelübde galt nur mehr für einen Zeitraum von drei Jahren und konnte dann erneuert oder aufgekündigt werden. Diese Zeit des von der badischen Regierung eingeführten „Regulativs“ änderte zwar einen fundamentalen Wesenszug des Lebens am Kloster vom Heiligen Grab, jedoch behielten die Ordensschwestern den Wertekern ihres Bildungsauftrags bei und konnten sich so in dem anbrechenden Industriellen Zeitalter behaupten.

 

Das lange 19. Jahrhundert an der Klosterschule – Zeit der Umbrüche (1811 – 1945)

Die zweite größere Bedrohung im 19. Jahrhundert für das Kloster vom Hl. Grab stellte der Kulturkampf des unter Otto von Bismarck mitbegründeten Kaiserreichs und der katholischen Kirche im Jahr 1877/78 dar. Die Skepsis vieler Protestanten gegenüber den katholischen und vermeintlich romtreuen Ultramontanen schlug sich ebenfalls auf die Bildungspolitik nieder.

In Baden wurde im Zuge dessen die sogenannte „Mischschule“ eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass katholischer und evangelischer Religionsunterricht nebeneinander stattfinden musste. Die Klosterschule war bis zu diesem Zeitpunkt eine rein katholische Mädchenschule. Die nun geforderten Veränderungen stellten einen tiefen Einschnitt in die Glaubenshaltung der Schulgemeinde dar. Jedoch begegnete man innerhalb der Klostermauern der „Mischschule“ mit Pragmatismus und Zustimmung. Die neue Schulform wurde eingeführt und die ersten evangelischen Schülerinnen konnten an der Klosterschule begrüßt werden. Diese Maßnahme sicherte somit den Fortbestand der Klosterschule, die sich mehr und mehr in der Baden-Badener Stadtgesellschaft einen guten Ruf erarbeitete und sich großer Beliebtheit erfreute.

1885 wurde daher das Kloster aus Platzmangel um ein viertes Stockwerk erweitert und nur fünf Jahre später, entstand der sogenannte “Bernhardusbau.“

Der Erste Weltkrieg stellte die Schwestern erneut vor große Herausforderungen. Sie engagierten sich gemeinsam mit den Schülerinnen für die Verbesserung der Soldatenausstattungen. Im Zuge dessen erhielt im Jahr 1916 die damalige Priorin Maria Amalia für ihr Engagement an der Klosterschule den „Goldenen Kriegsverdienstorden.“

Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte auch mit der neu gegründeten „Weimarer Republik“ ein Ende vieler staatlicher Beschränkungen mit sich. Ab 1921 konnte sich die Unterrichtstätigkeit landesweit an den Schulen frei entfalten. Vielfältige Schultypen wurden angeboten: Grundschule, Mädchenrealschule, Frauenschule, Handelsschule oder auch die Haushaltungsschule. Dies beflügelte auch die Baden-Badener Schullandschaft, wovon auch die Klosterschule profitieren konnte. Im Leporello der Klosterschule aus der damaligen Epoche lässt sich im Text des Einbandes die Atmosphäre, die an der Schule geherrscht haben musste, nachempfinden:

„Das Institut arbeitet nach staatlichen Lehrplänen. Auch in anderen praktischen Fächern, wie in Buchführung, Handelskunde, Einheits-Stenographie, Maschinenschreiben, Handarbeit, modernen Kunstarbeiten usw. werden die jungen Mädchen unterrichtet. Turnen, Atemgymnastik u. dgl. finden ebenfalls Platz auf dem Stundenplan. Neuzeitlich eingerichtete Thermalbäder stehen zur regelmäßigen Benutzung im Hause zu Verfügung. Die Räume des Instituts sind luftig, hoch, freundlich und hell. Die terrassenförmig ansteigenden Gärten bilden schöne Tummelplätze für die Erholungsstunden der Zöglinge. Mehrmals in der Woche machen diese auch Spaziergänge in Badens herrlicher Umgebung. Wie vorteilhaft die würzige Schwarzwaldluft, die schön geordnete Lebensweise und die kräftige Kost auf die Gesundheit wirken, zeigt das frische, blühende Aussehen der Zöglinge.

In christlichem Frohsinn, in fleißiger Arbeit und ernstem Studium vereint, legen hier die jungen Mädchen unter treuer Obhut den Grund zum echten Glück für Ihr künftiges Leben.“

 

Große Rückschläge und Einschnitte des florierenden Schullebens bedeutete ohne Zweifel der Systemwechsel von 1933. Den NS-Ideologen war jegliche parteifremde Jugendarbeit ein Dorn im Auge. Man übte sich in völkischem Gedankengut und stand der katholischen Lehre mit Ablehnung gegenüber. Zwar sicherte das Reichskonkordat von 1933 für den Moment den Fortbestand kirchlicher Bildungseinrichtungen, Einschränkungen und Sanktionen seitens der Nationalsozialisten ließen aber nicht lange auf sich warten. Ab 1937 durften die Kinder von Beamten und von Mitgliedern der NSDAP keine konfessionell gebundenen Bildungseinrichtungen mehr besuchen. Dies hatte einen drastischen Schülerrückgang zur Folge, so dass am 1. April 1940 die Schule unter der großen Bestürzung der Ordensschwestern schließen musste, denn seit dem Großbrand im Jahr 1689 hatte der Schulbetrieb ununterbrochen stattgefunden.

Auch der von Adolf Hitler herbeigesehnte Weltkrieg wirkte sich auf das Leben der Klostergemeinschaft aus. 1943 fungierten die Räume des Bernhardusbaus beispielsweise als Lazarett für Soldaten von der Westfront. Ein bemerkenswertes Schicksal wiederfuhr dem Bernhardusbau ein Jahr später. Obwohl der Ortsteil Oos aufgrund seiner Bahnstreckennähe bereits mehrfach bombardiert wurde, blieb die Baden-Badner Altstadt fast völlig von alliierten Bombenangriffen verschont. Die einzige Granate, die vom Elsass aus auf das neue Schloss abgefeuert wurde, verfehlte ihr Ziel und Schlug in den Bernhadusbau der Klosterschule ein. Das Einschussloch ist bis heute am Musikraum 101 zu sehen.

 

Die Klosterschule im 20. und 21. Jahrhundert – Neuausrichtung und Zukunftsperspektiven (1945 – 2020)

Nach Kriegsende bestimmte die französische Militärregierung über das Schicksal der Klosterschule. Da aber großer Bedarf an nicht nationalsozialistisch geprägter Bildung bestand, konnte bereits 1945 der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. Die neu gegründete Bundesrepublik richtete sich bildungspolitisch neu aus. Die Klosterschule entschied sich, diesen Weg mitzugehen und erhielt im Jahr 1952 eine staatliche Anerkennung als Progymnasium.

Ein großer Glücksfall für die Schule war 1968 die Berufung des ersten „weltlichen“ Schulleiters OStR Otmar Vetter durch den Konvent der Ordensschwestern.

Otmar Vetter, ein engagierter und leidenschaftlicher Kämpfer für die Katholische Freie Schule, machte in den sechzehn Jahren seines Wirkens die Klosterschule zur größten gymnasialen Bildungsstätte der Stadt. Er richtete seine ganze Kraft auf den Aufbau einer gymnasialen Oberstufe. Dieser Weg hatte Erfolg, denn 1970 wurde die Klosterschule zum staatlich anerkannten Vollgymnasium mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung.

Zur Dreihundertjahrfeier konnte der Neubau mit den dringend benötigten Fachräumen sowie der Turnhalle beziehungsweise Aula eingeweiht werden. Tatkräftige Unterstützung erfuhr Otmar Vetter durch die damalige Priorin der Klosterschule Maria Alberta Mauch. Von 1962 bis 1968 selbst sehr engagierte Schulleiterin, fungierte sie bis zu ihrem Tode 1978 als Priorin des Klosters v. Hl. Grab und blieb den Naturwissenschaften sehr verbunden.

Die „Verweltlichung“ der Schule schritt derweil voran. 1980 gehörten nur noch zwei Klosterschwestern dem Kollegium an: die Priorin Maria Cäcilia Jenne (Fachlehrerin für Geschichte) und Schwester Michaela (Internatsleitung und Religion).

Im Jahr 1982 bahnten sich weitere grundlegende Veränderungen an: Erstmals wurden in den Eingangsklassen auch Jungen aufgenommen. Zwar konnten Jungen schon zuvor die gymnasiale Oberstufe besuchen, jedoch wurde die Klosterschule mit diesem Schritt zu einem vollwertigen koedukativen Gymnasium. Aufgrund der nun steigenden Schülerzahl ließ eine Generation junger Lehrer das Kollegium in kurzer Zeit beträchtlich anwachsen. Viele neue Ideen belebten sowohl den Unterricht als auch den Schulalltag.

Im Sommer 1984 wurde das einstige Erholungsheim der Schwestern, der Marienhof in Geroldsau, in ein Schullandheim für die Klosterschule umgewandelt. Die Einweihung des Marienhofs wurde in einem Sternmarsch nach Geroldsau der rund 700 Schüler/innen mit Lehrern und Eltern gefeiert.

Für das anschließende Schuljahr 1984/85 hatte sich Otmar Vetter die nächste Herausforderung ausgesucht: Die Verhandlungen mit der sich neu formierenden Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg. Deren erster Stiftungsdirektor Dr. Adolf Weisbrod setzte sich mit viel Engagement für einen Überbau der zahlreichen katholischen Bildungseinrichtungen in Baden ein. Aufgrund des Nachwuchsmangels vieler von Ordensleuten geführter Schulen, musste auch die Organisationsstruktur der Klosterschule überarbeitet werden. In vielen Gesprächen wurde auch an der Klosterschule Überzeugungsarbeit geleistet. Die Gespräche mit Herrn Weisbrod waren zwar teils nervenaufreibend, aber stets konstruktiv. Es ging schließlich darum, ob die Klosterschule ihre Selbständigkeit wahren oder sich einer übergeordneten Schulstiftung anschließen sollte. Leider erlebte Otmar Vetter nicht mehr das Ende der Verhandlungen. Er verstarb überraschend nach kurzer Krankheit am 27. September 1984.

Sein Tod hinterließ eine große Lücke, die seine Stellvertreterin Frau StD’in Maria Heinzel für ein Jahr in kommissarischer Funktion ausfüllte. Im kommenden Schuljahr 1985/86 übernahm OStD Heinrich Ries die Tätigkeit des Schulleiters.

Nach langen Verhandlungen mit Stiftungsdirektor Weisbrod wurde 1991 die Übergabe der Trägerschaft in die Obhut der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg beurkundet. Somit gab Priorin Cäcilia Jenne die Trägerschaft nach 320 Jahren an die Schulstiftung ab, in der Gewissheit, dass das Hauptanliegen der Klosterschule, die Erziehung der Jugend im christlichen Geist, auch für die Zukunft garantiert wurde.

Herr OStD Heinrich Ries, der seit 1985 Schulleiter in der Klosterschule war, konnte nun mit dem Rückhalt aus Freiburg neue Akzente in den 1990er-Jahren setzen. Die Klosterschule nahm nach der deutschen Wiedervereinigung Spätaussiedlerinnen in das modernisierte Internat auf, die durch Förderunterricht den Einstieg ins Gymnasium oder die Voraussetzung für eine Berufsausbildung erlangten. Das ehemalige Pfarrhaus beim neuen Schloss wurde zur Kunstakademie umgebaut und auch das Italienisch-Profil ist seiner Initiative zu verdanken.

1995 wurde Frau StD’in Maria Heinzel nach 23-jähriger engagierter Tätigkeit in den Ruhestand verabschiedet. Sie geht als Stellvertreterin der Schulleiter Vetter und Ries sowie als kommissarische Schulleiterin des bereits erwähnten Schuljahres 1985/86 in die Annalen der Klostergeschichte ein.

2001 war es Herr Ries, der wohlverdient aus dem Schuldienst ausschied und sich in seine Wahlheimat Italien verabschiedete. Zu diesem Anlass feierte die ganze Schulgemeinschaft ein Abschiedsfest in schöner Atmosphäre im Klosterinnenhof.

Ebenfalls im Jahr 2001 wurden Oberin Cäcilia Jenne und die beiden letzten noch verbliebenen Ordensschwestern mit einer offiziellen Feier nach Maria-Frieden in Ebersteinburg in ihren Ruhestand verabschiedet. Damit wurde nach 331-jähriger wechselvoller Geschichte der Orden der Ordensschwestern vom Heiligen Grab in Baden-Baden aufgelöst. Bei der Versteigerung des Inventars die infolge der Auflösung des Klosters veranstaltet wurde, konnte die Öffentlichkeit erstmals einen Blick hinter die Klostermauern werfen.

Durch den Auszug der Nonnen bot sich die Möglichkeit das Kloster- und Schulgebäude den Raumanforderungen und dem Ausstattungsniveau eines modernen dreizügigen Gymnasiums mit Musikprofil anzupassen. Die anstehende Umstrukturierung aller Gebäudeteile und der gesamte Umbau fielen in den Aufgabenbereich des stellvertretenden Schulleiters Claus Biedermann.

In 15-jähriger Bauzeit wurde das ehemalige Refektorium in ein modernes Bistro mit Speisesaal umgewandelt, die Ganztagesbetreuung ausgebaut und die Direktion mit dem gesamten Lehrerbereich vom Neubau in den traditionsreichen Klosterbau verlegt. Diese Maßnahmen hatten einen grundlegend positiven Effekt, sodass beispielsweise die Fachbereiche Musik, Kunst oder die Naturwissenschaften im Schulhaus verlagert und somit vergrößert und modernisiert werden konnten.

Die Amtszeit von Magarete Ziegler, 2001 -2019, war jedoch nicht nur geprägt von einer baulichen Umgestaltung des Schulgebäudes. Es gelang ihr mit ihrem Leitungsteam den Schulbetrieb in wesentlichen Bereichen weiterzuentwickeln und Schwerpunkte zu setzen. An der Klosterschule entstand eine Kultur der Zusammenarbeit von Schülern, Lehrern und Eltern im Kontext von zahlreichen Projekten, die weit über das Unterrichtgeschehen hinaus ihre Wirkung entfalteten.

Am Tag ihrer Verabschiedung konnte Frau OStD’in Magarete Ziegler ihrem Nachfolger Herrn StD Dr. Tobias Vorbach eine moderne, konkurrenzfähige und zukunftsorientierte Schule mit einer lebendigen Schulgemeinschaft überlassen. Er durfte in seinem ersten Jahr als Schulleiter das 350-jährige Schuljubiläum in seinen Terminkalender notieren.

Betrachtet man zuletzt den Stiftungssatz der Großherzogin Maria Franziska aus dem Jahr 1670 erneut, lässt sich feststellen, dass er durch alle Jahre hinweg nicht an Aktualität verloren hat. Die Klosterschule existiert heute noch, weil sich die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mit den wichtigen Fragen ihrer jeweiligen Zeit beschäftigten, sich ständig wandelten und weiterentwickelten, den Wesenskern des Stiftungssatzes Maria Franziskas jedoch nie aus ihrem Blickfeld verloren. Besinnt sich die Klosterschule auf ihre Ursprünge, hat sie, möge der Liebe Gott es segnen, noch viele erfolgreiche Jahre vor sich.

 

Infotexte

Priorinnenliste

  1. 1670-1685 M. Anne Remy de la Nativité
  2. 1685 – 1701 M. Jeanne Françoise de Gassion de l’Assomption
  3. 1701 – 1712 M. Sophie d’Anethan de la Passion
  4. 1712 – 1740 M. Dieudonné Nivart de la Présentation
  5. 1740 -1771 M. Gertrud de Caché du sacré cœur de Jésus (erste nicht ursprünglich aus Frankreich stammende Priorin)
  6. 1771 – 1782 M. Margarete Rienecker du sacré cœur de Jésus
  7. 1782 – 1794 M. Gertrud de Landherr du St. Esprit
  8. 1794 – 1797 M. Josepha von Roeder du sacré cœur de Jésus
  9. 1799 – 1811 M. Stanislaus Cleophae Barth de l’immaculée Conception
  10. 1811 – 1852 M. Viktoria Dietrich
  11. 1852 – 1873 M. Bernada Findling
  12. 1873 – 1885 M. Adelheid Wagner
  13. 1885 -1924 M. Amalie Maier
  14. 1924 -1961 M. Aloysa Körber
  15. 1961 – 1978 M. Alberta Mauch
  16. 1978 – 2002 M. Cäcilia Jenne (letzte Priorin, der Orden wurde 2002 aufgelöst)

 

Liste der weltlichen Schulleiter/innen

1970 – 1984 OStD Otmar Vetter

1984 -1985 StD’in Maria Heinzel

1985 – 2001 OStD Heinrich Ries

2001 -2019 OStD’in Margarete Ziegler

seit 2019 OStD Tobias Vorbach

 

Fakten auf einen Blick:

Die Klosterschule wurde im Verlauf ihrer Geschichte einmal niedergebrannt und beschossen, wieder aufgebaut, mehrfach renoviert und neu erweitert. Insgesamt sechzehn Priorinnen wirkten in den Jahren 1670 -2002. Tobias Vorbach ist der aktuell fünfte weltliche Schulleiter der Klosterschule. Die eine genaue Zahl der Schülerinnen und Schüler, die an der Schule einen Teil ihrer Jugend verbrachte, ist schwer abzuschätzen. Nach aktuellem Stand wird die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die ihr Abitur an der Klosterschule ablegen in naher Zukunft jedoch weiter zunehmen.

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Infotext: Die Sepulchrinnen – die Ordensschwestern vom Hl. Grab

Der Orden vom Hl. Grab selbst fand seinen Ursprung bereits in der Zeit der Kreuzzüge. Nach der christlichen Eroberung Jerusalems im Rahmen des 1. Kreuzzuges im Jahre 1099, entstand in den heiligen Stätten, am sogenannten Heiligen Grab, der Orden der Sepulchrinnen. Als Palästina 1291 an die muslimischen Mameluken fiel, verbreitete sich der Orden in Europa.

Es kam zu Klostergründungen in Zaragossa 1276 (Spanien) und 1480 in Kinrooi (Belgien). Weitere Klostergründungen folgten im 16. und 17. Jahrhundert.

Französische Revolution und Säkularisierung bedeuteten tiefe Einschnitte für den Orden der Sepulchrinnen. Nur wenige Klöster konnten überleben, darunter auch das Kloster in Baden- Baden.

Die zentrale Aufgabe des Ordens war die Verehrung des Heiligen Grabs in Jerusalem und des Wunders der Auferstehung Christi. Hierfür hielten die Ordensschwestern lange Wachen in den heiligen Stätten Jerusalems ab, um am Heiligen Grab zu beten. Als der Orden Jerusalem verlassen musste, verbreiterte sich stetig sein Betätigungsfeld, sodass ab dem Spätmittelalter die christliche Erziehung von Mädchen zum Wesenskern des Ordens gehörte.